Kinder im Netz

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Die Online-Präsenz von Lilipuz findet zum derzeitigen Zeitpunkt nur mäßige Resonanz bei der Zielgruppe der Sendung. Zum einen hat die Analyse der Abfragestatistiken für die Lilipuz-Homepage gezeigt: Das Informationsangebot im World Wide Web wird in bescheidenem Umfang genutzt. Gleichzeitig nehmen sehr wenige Kinder die Möglichkeit wahr, via E-Mail Wünsche an die Programm-Macher und -Macherinnen heranzutragen. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob nicht sogar viele Besucher der Homepage überhaupt keine Kinder sind, sondern Erwachsene, die für sich selbst oder aber ihre Kinder und Schüler Informationen einholen. Die Analyse der elektronischen Hörerpost hat einige Indizien ergeben, die diese Theorie stützen - gleichwenn nicht automatisch vom elektronischen Feedback auf das mit der Homepage erreichte Publikum geschlossen werden kann.

Das Internet spielt also als programmbegleitendes Medium momentan (noch) eine untergeordnete Rolle. Weder gelingt es offenbar, über den neuen Verbreitungskanal Informationen zum Radioprogramm breit zu streuen, noch erreicht die Redaktion das erklärte Ziel, via elektronische Post einen heißen Draht zu den kleinen Hörerinnen und Hörern aufzubauen. So ernüchternd diese Erkenntnis ist, so wenig dürfte sie überraschen - zumindest wenn man sie im Zusammenhang sieht mit den spärlichen empirischen Befunden zur Verbreitung des Internet unter Kindern und den Ergebnissen meiner eigenen Online-Umfrage. Danach nämlich sind Kinder im Lilipuz-Alter keine besonders eifrigen Internet-Nutzer.

Die Analyse der Server-Statistiken hat einige interessante Trends aufgezeigt. Die vergleichsweise hohe Nachfrage nach aktuellen Programminformationen zu Lilipuz läßt mich vermuten, daß die Homepage momentan einem großen Teil der Nutzer vorwiegend als elektronische Programmbroschüre dient. Journalistischer Mehrwert, in Form von ausgedruckten Nachrichten-Manuskripten, Buchbesprechungen und Veranstaltungstips, wird vergleichsweise selten nachgefragt. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu den Ergebnissen der ARD-Online-Studie. Van Eimeren u.a. stellten fest, daß die Besucher von ARD-Seiten im World Wide Web vor allem tagesaktuelle Informationen zum Weltgeschehen, Verbrauchertips und Ratgeber

sowie Servicedienste schätzen. Hinweise auf das aktuelle Programm spielten eine untergeordnete Rolle. (427) Allerdings bezog die ARD-Studie sowohl Radio- als auch Fernsehsendungen ein. Bei TV-Sendungen jedoch dürfte die Information über das aktuelle Programm schon allein deshalb einen geringeren Stellenwert einnehmen, weil es zahllose Programmzeitschriften mit Fernsehschwerpunkt gibt. Der Hörfunk jedoch spielt in der Programmpresse eine untergeordnete Rolle. (428)

Das mangelnde Interesse an den Service-Informationen von Lilipuz Online könnte auch damit zusammenhängen, daß diese nicht unbedingt in einer Form präsentiert werden, die Kindern leicht zugänglich ist: Bei den Klicker-Meldungen sind die Textstrecken sehr lang, und auch die Seiten zu den regelmäßigen Radio-Rubriken Lesepuz und Nix wie hin verlangen den Rezipientinnen und Rezipienten eine gehörige Portion Lese-Eifer ab. Es wäre eine Überlegung wert, vermehrt auf die multimedialen Stärken des World Wide Web zu setzen und verstärkt auditive sowie visuelle Inhalte in das Online Angebot einzubringen. Beispielsweise könnten häufiger Radio-Beiträge als Real-Audio-Dateien zum Abruf im World Wide Web bereitgestellt werden (was allerdings eine Klärung der urheberrechtlichen Situation voraussetzt). Daß dies ein erfolgsversprechenden Rezept sein könnte, legen auch die Ergebnisse meiner Online-Umfrage dar - "Sounds" rangieren in der Beliebtheit bei den Kindern deutlich vor rein textuellen Inhalten. (429)

Viele virtuelle Besucher dürften rein zufällig über Suchmaschinen bei Lilipuz im Internet landen und das Info-Angebot eher nicht regelmäßig nutzen. Darauf deutet die nicht unerhebliche Zahl von Surfern hin, die sich für allgemeine Ohrenbär-Informationen interes-sieren (und auch via E-Mail abfragen), weniger jedoch für das aktuelle Programm zu dieser von der Lilipuz-Redaktion betreuten Hörspielreihe. Und die große Popularität der Liste mit Hyperlinks zu anderen Kinderseiten im Netz läßt vermuten, daß die Lilipuz-Homepage für viele Surfer eine Art Durchgangsstation auf dem Streifzug durch die unendlichen Weiten des Cyberspace ist.

Insgesamt weist die Trendkurve für den WWW-Infodienst von Lilipuz eindeutig nach oben. Seit dem Start der Homepage Ende Juni 1996 haben sich die Zugriffe auf die Homepage vervielfacht - auch dies ist jedoch im Hinblick auf die allgemeine "Bevölkerungsexplosion" im Internet keine besonders aufregende Einsicht. Bei den E-Mails zeichnet sich jedoch keine entsprechende Entwicklung ab. (430)

Resignation und ein vermindertes Engagement im Internet - angesichts der (noch) bescheidenen Reaktionen der jungen Hörerschar - wären fehl am Platze. Die Redaktion sollte aber dennoch ihr interaktives Konzept reiflich überdenken. Es ist fraglich, ob jemals ein breites Kinderpublikum erreicht werden kann mit einer elektronischen Programmbroschüre, so wie sie derzeit im Netz zu besichtigen und auch von der WDR-Unternehmensleitung nicht anders gewollt ist. Diese spezielle Zielgruppe stellt hohe Ansprüche an das Medium Internet. Wie die Erfahrungen mit dem SWR-Kindernetz und mit Fun Online eindrucksvoll belegen, wollen Kinder sich mitteilen, ihre eigenen Ideen und individuellen Bedürfnisse einbringen. (431) Interaktive Erweiterungen wie Moderatoren-Chats und Pinboards sind also nach meinem Dafürhalten eine zwingende Notwendigkeit.

Auch unter dem Blickwinkel des Redaktionsmarketings wäre der Einsatz von in hohem Maße interaktiven Elementen eine durchaus sinnvolle Angelegenheit. Neue Hörerinnen und Hörer könnten mitunter gewonnen werden durch die Einrichtung von persönlichen Homepages für Lilipuz-Fans. Da Kinder ein großes Mitteilungsbedürfnis haben und sicherlich nicht ganz ohne Stolz Freunden und Freundinnen ihr virtuelles Zuhause präsentieren dürften, könnten Kinder, die Lilipuz bislang nicht kennen, auf das Programm aufmerksam werden.

Angesichts des Trends zur Konvergenz der Medien wären verstärkte Online-Ambitionen der Lilipuz-Redaktion sicherlich sinnvoll. Solch ein Engagement bedeutet nicht unbedingt, daß sich die Redaktion von ihrem eigentlichen Betätigungsfeld, dem Radiomachen, entfernt. Die beiden Medien Internet und Radio können sich ganz im Gegenteil ausgesprochen sinnvoll ergänzen. Das Internet mit seinen interaktiven Möglichkeiten sollte als zusätzliche Option begriffen werden, sich über die Bedürfnisse der Zielgruppe zu informieren und journalistisches Handeln darauf abzustellen. Es spräche meines Erachtens nichts dagegen, die elektronische Post und WWW-Formulare (wie bei der Hitparade) stärker mit den im Lilipuz-Programm reichlich vorhandenen radiophonen Spielformen zu verknüpfen.

Am Ende meiner Analysen steht die Einsicht, daß die vorliegende Studie mindestens ebenso viele Fragen aufgewirft und offen läßt, wie sie beantwortet hat:

Durch die angewandten Forschungsverfahren lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Als ergänzende Methode denkbar wäre beispielsweise eine Befragung von Kindern und Eltern über ihre Nutzungsgewohnheiten. Man könnte die Kinder und Erwachsenen anschreiben, die E-Mails an Lilipuz geschickt haben, und sie um persönliche Gesprächstermine bitten, vielleicht sogar Kinder bei der Nutzung der Homepage beobachten. Ein Online-Fragebogen auf der Lilipuz-Homepage, in eine Spielsituation eingebettet, wäre ein weiteres, verhältnismäßig einfach zu realisierendes Unterfangen. Und schließlich wäre es unter dem Gesichtspunkt der Grundlagenforschung ausgesprochen interessant, die elektronische Hörerpost mit den papier'nen Zuschriften von Kindern zu vergleichen. Dadurch ließen sich grundsätzliche strukturelle Unterschiede zwischen elektronisch und handschriftlich verfaßten Briefen von Kindern eruieren.

Forschungsbedarf ist also reichlich vorhanden. Das Thema "Internet als programmbegleitendes Medium für den Kinderfunk" ist noch lange nicht erschöpfend abgehandelt. Mit der vorliegenden Studie habe ich aber zumindest einige Steinchen zu dem großen Mosaik empirischer Erkenntnis beigetragen.



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zurück (427) Vgl. Kapitel 1.1.2.2.

 

zurück (428) Vgl. dazu das Interview mit Klaus-Dieter Oetzel.

 

zurück (429) Vgl. Kapitel 2.4.7.

 

zurück (430) Vgl dazu das Gespräch mit Matthias Wegener am 16.6.1998.

 

zurück (431) Vgl. Kapitel 1.4.

© Tobias Gehle, 1998

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